Artikel aus «Ferien-Journal»
4 / 2001 - von Gabriele Botti
(Übersetzung: Anita
B.) (Traduzione
italiana)
Erklären zu wollen was Kunst sei
ist etwa so, als wolle man erklären was Liebe sei: unmöglich
und geradezu zwecklos. Wenn dann die Kunst gar mit einer besonderen Form
von Liebe zusammenfällt, wird ihr Verständnis noch schwieriger.
Italo Varsalona, Kunstmaler-Poet
aus der Lombardei, kam bereits als in die Kunst verliebter zur Welt, um
sich dann in eine Stadt zu verlieben: Lugano. Seit 1995 ist sie seine inspirierende
Muse.
Wir haben uns für Donnerstagmorgen
10 Uhr verabredet. Während meiner Fahrt Richtung Caslano, wo der Künstler
sein Atelier eingerichtet hat, ordne ich meine Gedanken und die Fragen,
die ich mir vorgenommen habe ihm zu stellen. Seit wie vielen Jahren malt
er? Warum hat er die Malerei gewählt? Was gibt im das Malen? Was bedeutet
es, mit Farben zu leben? Viele Dinge würd ich gerne wissen... Leicht
verspätet treffe ich bei Italo Varsalona ein, der mich bereits erwartet
und in sein Studierzimmer bittet. Dort fallen meine sorgfältig und
etwas ministeriell aufgebauten Vorstellungen wie ein Kartenhaus in sich
zusammen vor dem, was sich vor meinen Augen auftut: ein fünf mal fünf
Meter, vielleicht auch etwas weniger grosses Zimmer, bis oben hin voll
mit herrlichen Werken des Künstlers. Mit an Engelsgeduld grenzender
Genauigkeit hat der Maler, als Verwalter seines eigenes Schaffens, seine
Bilder nach Argumenten, Themen und Daten geordnet. Hundert, hundertfünfzig
Bilder... Wie viele können es sein? Es seien zweihundert wird mir
gesagt, und würde die Zeit reichen, könnte mir der Künstler
problemlos die Entstehungsgeschichte jeden einzelnen Bildes erzählen.
Zwischen Ihm und seinen Gemälden besteht Empathie, Gefühl und
Leidenschaft. «Diese erinnert mich an eine Frau, die leider nicht
mehr lebt - Dieses habe ich am ersten Tag des Jahres gemalt - Mamma mia,
wie hat es an diesem Tag geregnet! - Hier hingegen war die Hitze erdrückend
- Was hatte ich an diesem Tag Kopfschmerzen!». Erinnerungen die auftauchen
und mühelos lebendig werden.
Lugano ist das vorherrschende
Thema der letzten fünf Jahre: die Stadt Lugano, Lugano am See, das
sportliche Lugano, das Lugano der Einwohner, das Lugano der Banken, Geschäfte
und dasjenige der Restaurants und typischen Winkel und Gassen. Man nennt
ihn «den Maler von Lugano». «Mein Werk kommt in seiner
Gesamtheit einem historischen Archiv gleich: Manchmal ist das, was ich
auf der Leinwand festhalte in der Realität bereits wieder verschwunden,
von einem anderen Gebäude ausgelöscht oder einfach den modernen
Bedürfnissen angepasst worden». Seine Hand gleitet nach oben
und such ein Bild ("jenes Bild"), mit dem für ewige Zeiten ein Palazzo
lebendig bleiben wird ("jener Palazzo an jener Strasse"), der heute nicht
mehr dort steht. Ein historischer Maler also; eine schwierige Aufgabe,
in der eine grosse Verantwortung steckt. Eine halbamtliche Aufgabe, die
aber eines Tages auch offizielle Anerkennung finden könnte. «Ich
bin der Zeuge kleiner und grosser Veränderungen des Stadtbildes. Die
Stadt ist für mich ein lebendiges Ganzes, und ich bezeichne sie als
meine Gefährtin. Ich hoffe, dass gerade sie es sein wird, zu der meine
Gemälde eines Tages gehen können.» Versuchen Sie, sich
einen grossen Raum vorzustellen, mit Marmorböden und schneeweissen
Wänden; versuchen Sie, sich in diesem Raum die von sicherer Künstlerhand
festgehaltene, tausendfarbige Geschichte auszumalen; versuchen Sie, sich
die Bedeutung einer derartigen Verbundenheitsbezeugung mit einer Stadt
vorzustellen; versuchen Sie sich vorzustellen... Vorläufig ist es
nur ein Projekt von tausend Gedanken und einem Wunsch: «Ich wünschte
mir, die Stadt würde, sofern sie es für angebracht hält,
eine Ausstellung organisieren. Nicht, dass Varsalona diese auf die Beine
stellt, nein, die Stadt selbst. Eine historische, soziale, lebendige Ausstellung.»
Und sein Blick fällt wieder auf seine Bilder, die ihm still zuzuhören
scheinen. Dann, ein Zucken: «Jedes Bild hat einen Titel, der wiederum
von einem Gefühl abgeleitet ist.» Gemeinsam lesen wir einige:
«Ritrovarsi nell'infanzia» (sich in der Kindheit wiederfinden);
«Un ricordo che nasce, un futuro che vive» (eine Erinnerung
die wächst, eine Zukunft die lebt); «Dove l'effimero incontra
il serio» (wo die Vergänglichkeit dem Ernst begegnet)... Ein
Erfahrungskatalog eines Mannes, der das Leben liebt und das was er tut.
«Sicher gefällt
es mir zu leben und zu malen: Ich arbeite im Freien, unter der Sonne, bei
Regen, Kälte und Hitze. Wäre ich nicht verliebt, glauben Sie
tatsächlich, dass ich sowas tun würde?» Verkaufen, produzieren,
den Kunden zufrieden stellen, Kompromisse machen, präzise Termine
einhalten. Ist auch das Kunst? «Ich verkaufe nichts, es sind die
Leute die kaufen. Ich habe es nie getan und werde mich jemals zur Schau
stellen noch Handel treiben: Varsalona stand nie zum Verkauf und wird es
nie sein. Und hätte ich es auch noch so nötig, meine Werke würde
ich niemals prostituieren. Nie würde ich sie verschleudern! Ob ich
jemals mein Leben verschleudern würde? Bestimmt nicht, jedes verkaufte
Bild ist ein Stück meines Lebens, das dahingeht.»
Das Treffen ist beendet.
Ein letzter Blick auf seine Werke... Gerne erinnere ich mich an einen seiner
Sätze: «Es ist nicht der Mensch, der ein Bild kauft, sondern
das Bild den Menschen.»
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